Auf Korsika gibt es Blutrache, die Siesta, politische Intrigen, den aromatischen Käse Casjiu Merzzu, wilde Schweine, Esskastanien und alterslose Greise, die einfach nur zuschauen, wie die Zeit vergeht. Den Korsen sagt man nach, sie seien Individualisten von überschäumendem Temperament, doch gleichzeitig beherrscht und gelassen in ihrem Gehabe, gastfreundlich, ihren Freunden treu, heimatverbunden, redegewandt und mutig – aber auch leicht beleidigt. Das ist die Quintessenz des Kultcomic „Asterix auf Korsika“. Recht hat der kleine Gallier, denn treffender kann man die Ile de Beauté, die Insel der Schönheit, wie die Franzosen Korsika nennen, kaum beschreiben.
Italienisches Flair im Norden
Bastia gibt sich geschäftig. Vor allem auf der Place Saint-Nicolas und am alten Hafen. Die weite Place Saint-Nicolas verströmt südländisches Flair, wirkt aber nicht unbedingt typisch korsisch, man wähnt sich eher in Italien. Hier trifft man sich zum Flanieren, zu einem Aperitif im Café, am Wochenende zum Flohmarktbesuch oder zu einem der Konzerte im Pavillon. Natürlich kommen auch die Boulespieler hierher und werfen mit stoischer Ruhe ihre Kugeln. Wer lieber einen Schaufensterbummel machen möchte, kein Problem, denn die Shoppingmeilen, der Boulevard Paoli und die Rue César Campinchi sind nur wenige Schritte entfernt.
Zwei winzige Leuchttürme rahmen den alten Hafen mit seinen Jachten und Fischerbooten ein. Die hoch aufragenden Häuser der Altstadt Terra Veccia erinnern mit ihren bunten Fensterläden an ein ärmliches Dorf in Ligurien, im Hintergrund sind die Ausläufer des Pinto-Massivs zu erkennen. Überragt werden die Häuserschluchten von der Fassade der Barockkirche Saint-Jean Baptiste, dem Wahrzeichen Bastias. Hier lag einst die Keimzelle der Stadt.
Im alten Hafen reiht sich ein Restaurant ans andere, sie locken mit exklusiven Meeresfrüchteplatten, aber auch günstigen Touristenmenüs. Ein Drei-Gänge-Menü muss es aber schon sein, man ist schließlich in Frankreich. Zum Auftakt trinkt man statt des französischen Pastis lieber den korsischen Traditionsapéritif Cap Corse, den Myrtenlikör Murtellina oder den Kastanienlikör Castagnja. Als Vorspeise steht fast immer die Charcuterie Corse, eine Auswahl deftiger Wurst- und Schinkensorten auf der Speisekarte. Alternativ kommen eine kräftige Leberpastete oder eine Suppa Corsa infrage. Zum Hauptgericht sind Wildschwein, Lamm oder Zicklein immer eine gute Wahl. Als Nachspeise beliebt sind würziger Schaf- und Ziegenkäse. Der König der korsischen Käse ist der Brocciu, der vorzüglich mit Feigenmarmelade mundet. Als Alternative bieten sich Fiadone, die korsische Vairante des Käsekuchens oder die Torta Castagnina, ein süßer Kuchen aus Kastanienmehl an. Im alten Hafen bleibt jeder gerne länger sitzen, genießt die in warmes Licht getauchte Kulisse und lässt den Abend bei einer Flasche Wein oder einem Cocktail ausklingen.
Von L’Île Rousse nach Calvi
In Saint-Florent und L’Île Rousse, westlich von Bastia, geht es im Sommer fast wie in Saint Tropez zu. Im Hafen von Saint-Florent liegen Segelboote und Jachten dicht an dicht, auf der Promenade flanieren die Reichen, in den Clubs und Bars lässt man sich den Champagner munden. Die Altstadt von L’Île Rousse ist ebenso voll wie der Stadtstrand, wer viel Trubel mag, ist hier genau richtig.
Zwischen den beiden Städten ist nur Wüste – der Désert des Agrigates. Noch vor 100
Jahren breitete sich hier fruchtbares Land aus, heute gibt es nur noch kahle Felsen und undurchdringliche Macchia. Doch an der Küste liegt ein Traumstrand am anderen, unvergesslich ist der Anblick der Plage de Saleccia mit seinem schneeweißen Sandstrand und dem azurblauen, glasklaren Wasser. Wer Robinson spielen will, kommt mit dem Boot, nimmt eine der Allradpisten oder bricht zu Fuß auf dem Küstenweg in die Einsamkeit auf.
Die Suche nach einem Traumstrand geht aber auch bequemer, denn im Sommer fährt die Tramway de Balagne mehrmals täglich auf der Strecke von L’Île Rousse nach Calvi. Ohne Eile ruckelt die Schmalspurbahn durch eine wunderschöne Landschaft, tutet vor jeder Kurve und hält unterwegs an rund einem Dutzend Strände.
Weithin sichtbar thront die mächtige Zitadelle von Calvi auf einem ins Meer ragenden Felsen, sie gilt als eines der imposantesten Bauwerke aus der Genuesenzeit. Zu ihren Füßen liegt der Jachthafen, in dem es ähnlich mondän wie an der Côte d’Azur zugeht. In den Bars und Restaurants trifft man sich nach einem Tag am Strand und lässt den Tag ausklingen.
Fruchtbare Hügel und kariöse Felsen
Nur wenige machen einen Abstecher ins Hinterland, in die fruchtbaren Hügel der Balagne, die bis zu den Gebirgsmassiven Zentralkorsikas reichen. Dank der guten Böden gedeihen im Garten Korsikas Zitrusfrüchte, Oliven und Vermentinu-Trauben der Spitzenklasse. Uralte Dörfer wie Sant’ Antonio, mit windschiefen Häusern aus Natursteinen, thronen wie Adlerhorste auf Bergrippen. Früher war es für die Bewohner wichtig, seeräuberische Sarazenen rechtzeitig auszumachen und sich in ihrer uneinnehmbaren Festung zu verbarrikadieren. Heute genießen Besucher den Rundumblick von der Küste bis zu den Bergen des Monte Grosso.
Zwischen Porto und Piana wird es spektakulär. An diesem Küstenabschnitt wird nicht gebadet sondern gestaunt. In unzähligen Kurven schlängelt sich die Straße durch die eigentümliche Felslandschaft der Calanche de Piana. Es ist die Steilküste der zerfressenen Felsen, ein Gebirge der kariösen Steine. Je nach Tageszeit erscheinen die Felsen Rot, Rosa oder Braun. Nur wenig Fantasie ist nötig, um allerlei Gesichter und Figuren, wie zusammen gekrümmte Löwen oder gehörnte Teufelsköpfe, in ihnen zu erkennen.
Auf Napoleons Spuren
Ajaccio, die größte Stadt Korsikas, verehrt noch heute Nepoleon Bonaparte. Sein Geburtshaus, die Casa Buonaparte, ist heute Museum, im Rathaus wird seine Totenmaske ausgestellt, auf der Place de Gaulle zeigt er sich mit seinen vier Brüdern als römischer Imperator, auf der Place Maréchal Foch gibt er den Ersten Konsul, mit Löwen zu seinen Füßen. Höhepunkt des Napoleonkults ist die Place d’Austerlitz, die Heldentaten vor ihm in Stein gemeißelt, wacht er am Ende einer Triumphtreppe auf einem Sockel mit strengem Blick und Dreispitz über seine Geburtsstadt.
Aber auch wer mit Napoleon nichts am Hut hat, sollte sich für Ajaccio Zeit nehmen. Wegen Korsikas größter Kunstsammlung im Musée Fesch, dem bunten Markt auf dem Square Campinchi, der Einkaufsstraßen Cours Napoléon und Rue du Cardinal Fesch und dem mediterranen Treiben auf den mit Palmen und Platanen bestandenen Plätzen der Stadt.
Sandstrände und traumhaft schöne Buchten
An der Ostküste wartet das Kontrastprogramm. Von der Alsani-Mündung über Aléria bis nach Solenzara erstreckt sich die Plaine Orientale. Hier beginnen die Berge erst einige Kilometer hinter der fruchtbaren Schwemmlandebene des Tavignano und lassen Platz für Weinstöcke, Obstbäume, Weiden und Wiesen. Die gesamte Ostküste ist die Badewanne Korsikas, denn ein Sandstrand reiht sich an den anderen. Jeder Küstenabschnitt schmückt sich mit einem klangvollen Namen: Im Norden liegt die Costa Verde, die grüne Küste, um Aléria die Costa Serena, die heitere Küste, daran schließt sich die Côte des Nacres, die Perlmutt-Küste, an. Hinter dem Strand bleibt noch Platz für Dutzende Villages de Vacances, Campingplätze, Feriendörfer, Bungalowanlagen, FKK-Zentren und private Ferienhäuser.
Im Gegensatz zur Ostküste mit ihren rund 80 Kilometer langen Sandstränden ist die Südküste stärker gegliedert. Kleine Buchten werden immer wieder von vorspringenden, felsigen Landzungen unterbrochen. Jede dieser Buchten besitzt ihren ganz eigenen Charme. Doch überall gibt es glasklares, türkisfarbiges Wasser und einen feinkörnigen Strand, der von Felsen, Dünen und Pinienwäldern eingerahmt wird. Fotogen sind sie alle, die Buchten von Rondinara und Pinarellu, traumhaft auch die Plage de Santa Giulia und die Plage de Palombaggia südlich von Porto Veccio.
Bonifacio, die schönste Stadt Korsikas, thront im Süden der Insel auf einem hohen Kreidefelsen. Die exponierte, früher strategisch ungemein wichtige Lage am Südzipfel Korsikas weckte über Jahrhunderte Begehrlichkeiten und machte Bonifacio immer wieder zum Zankapfel zwischen Pisa, Genua und Frankreich. Die scheinbar uneinnehmbare Zitadelle am höchsten Punkt mit ihren abweisenden Mauern hat die unruhigen Zeiten bis heute überdauert. Die Zukunft einiger Häuser scheint dagegen fraglich, denn sie stehen so dicht an der Kante der von Wind und Wellen zerfressenen Steilküste, dass ihr Absturz nur eine Frage der Zeit scheint. Im Winter ist Bonifacio fast menschenleer, doch ab Juni kommt wieder Leben in die schöne Kulisse, öffnen Restaurants und Souvenirläden und bald darauf füllen sich die Straßen wieder mit Touristen.