Der Fahrrad fahrende Maler
Lyonel Feininger (1871-1956) war Usedomfan. Der Maler, der zu den bedeutendsten Vertretern der Klassischen Moderne zählt, verbrachte von 1908 bis 1921, als er seinen Hauptwohnsitz in Berlin hatte, jeden Sommer auf der Insel.
Oben von der Mühle in Benz geht der Blick hinab auf das Dorf mit ihrer Kirche. Dort stand Lyonel Feininger mehr als nur einmal. Die Kirche und vor allem ihr Turm gehörten zu seinen Lieblingsmotiven. Noch 1955, ein Jahr vor seinem Tod, malte Feininger die Benzer Kirche drei Mal. Da lebte er schon lange nicht mehr in Deutschland. Von den Nazis verfolgt, war er 1937 zusammen mit seiner jüdischen Frau Julia in die USA emigriert. Seine Werke waren damals bereits als „entartet“ diffamiert und aus öffentlichen Sammlungen entfernt worden. Der Name „Feininger“ war deswegen auch im Nachkriegsdeutschland zunächst nur wenig präsent.
Selbst auf Usedom erinnerte man sich kaum noch an das Wirken des Künstlers. Erst ein Tipp von außerhalb sorgte dafür, dass sich in den 1990er Jahren der damalige Bürgermeister von Benz und der örtliche Pastor gemeinsam auf Spurensuche machten. Das Ergebnis war eine umfassende Dokumentation über das Wirken Feiningers auf Usedom – und die wiederum führte dazu, dass man einen 56 Kilometer langen Radweg anlegte, der zu 43 Malorten des Künstlers führt.
Fahrradfan Feininger
Feininger hatte zwar seine Lieblingsorte auf der Insel zu denen er immer wieder zurückkehrte, doch letztendlich fertigte er an mehr als 40 Orten Skizzen an, die er später – manchmal lagen Jahrzehnte zwischen Skizze und deren malerischen Umsetzung – als Inspiration für Ölbilder, Aquarelle und Holzschnitte nutzte. Rund 80 seiner Werke zeigen Usedomer Motive.
Never mind auf Usedom
Bei seinen Usedomaufenthalten quartierte sich Feininger bevorzugt in Heringsdorf ein. Manchmal wohnte er aber auch in Benz und Neppermin. Den Namen des letzt genannten Ortes verballhornte der Deutsch-Amerikaner mit Vorliebe zu „Peppermint“ oder „Never mind“. Seine erste Ankunft hat der Künstler genau dokumentiert. Auf seinem Skizzenblock notierte er am 17. Mai 1908: „Eingekehrt in einer der typischen Villen im Stil der Bäderarchitektur nahe des Strandes.“ Daneben skizzierte er seinen Fuß, der gerade die Heringsdorfer Strandpromenade betritt. Damals logierte der Künstler in der Pension Zander, gleich neben der Villa Oppenheim. Offenbar hat Feininger schnell an Usedom Gefallen gefunden, denn von nun an feierte er dort jedes Jahr am 17. Juli seinen Geburtstag.
Im Gegensatz zu Feininger brauchen sich die radelnden Kunstfans, die heute auf seinen Spuren unterwegs sind, nicht länger über holperiges Terrain quälen. Sie können auf der gesamten Strecke auf gut ausgebauten Wegen dahinfahren. Der Feininger-Radweg ist mit weiß-blauen Schildern markiert. Auf der Strecke kommt man an vielen Orten vorbei, die dem Künstler als Vorlagen für seine Bilder dienten, so etwa an der Benzer Kirche oder der dortigen Mühle, der Villa Oppenheim in Heringsdorf, dem Wasserschloss Mellenthin oder dem Seezeichen im polnischen Świnoujście/Swinemünde. Vor den Sehenswürdigkeiten bzw. vor den Malorten sind Bronzetafeln angebracht, die den exakten Ort anzeigen an dem Feininger seine Skizzen angefertigt hat. An einigen Orten geben Infotafeln weitere Zusatzinformationen.