Willkommen beim Weltreisejournal! Reisereportagen und News aus aller Welt

Kambodscha: Lächelnd um das Überleben kämpfen

Von den Folgen seiner Bürgerkriege immer noch gezeichnet und gelähmt, zählt Kambodscha weltweit zu den ärmsten Ländern. Durchschnittlich steht einer Familie, oft mit vier bis zu sechs Kindern, pro Jahr nur 1.500 US-Dollar zur Verfügung. Sehr viele müssen mit deutlich weniger zurechtkommen. Die Not treibt sie zur Prostitution, zu Kinderhandel und -missbrauch. Mit seinem Musterdorf „Smiling Gecko Campus“ bereitete der Schweizer Künstler Hannes Schmid vielen Notleidenden einen Weg zur Selbsthilfe, der beispielgebend sein könnte. Eckpfeiler des Projekts sind Landwirtschaft, Tourismus, Handwerk. Schul- und Berufsbildung nach internationalen Standards stehen im Mittelpunkt. Inzwischen profitieren davon tausende Familien. Von Deutschland aus wird das Projekt vom Verein DER Touristik Foundation e. V. unterstützt.

 

 

So plötzlich, wie er anfing, endete der kurze Tropenschauer. Bauern und Gärtner setzen ihre Arbeit fort. Nun „regnet“ es nur noch von Palmen- und Bananenblättern in die großen Auffangbecken. Hannes Schmid ist dankbar für das kostenlose frische Nass. „Was wir davon sammeln können, müssen wir nicht aus 180 Meter Tiefe pumpen. Allein die Fischzucht läuft fast nur mit Regenwasser“, sagt der drahtige Mann im schwarzen Team-Shirt mit allemannischem Akzent.

Der Schweizer mit dem Lausbub-Lächeln lebt überwiegend in der kambodschanischen Provinz Kampong Chhnang. 2014 stellte er dort für rund 100 notleidende Menschen ein ganzheitliches Hilfsprojekt zur Selbstversorgung auf die Beine, machte es zur Stiftung und nannte diese frei nach einem Tier, das nach seiner Ansicht selbst im Kampf ums Überleben lächelt: Smiling Gecko.

 

 

Inzwischen ist der ebenso benannte Campus ein regelrechtes Musterdorf. Innerhalb weniger Jahre wuchs seine Fläche von neun auf 150 Hektar. Tausende Familien im ganzen Umland profitieren direkt oder indirekt von ihm, denn die ansässige Bevölkerung wurde von Beginn an einbezogen. Momentan sind es 285 Angestellte und 70 Auszubildende.

Während und noch lange nach der Covid-Pandemie, als Absatzmöglichkeiten fehlten, verschenkte Smiling Gecko tonnenweise Lebensmittel an Bedürftige. Nach den Spenden, die noch immer auch für die Stiftung selber lebenswichtig sind, stellen Ackerbau und Tierzucht die Haupteinnahmequellen dar. Darum zeigt Hannes Schmid gern seinen Gästen Felder, Gärten, Weiden, Ställe oder – wie jetzt – den Teich, wo Nilbuntbarsche aufgezogen und gemästet werden.

 

 

Der Schwimmsteg schwankt. Doch flink und sportlich eilt der 76-Jährige darüber. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Mit Sachverstand und Stolz blickt er auf das Geplätscher unter sich. Dort in den Aufzuchtbecken tummeln sich zigtausend gutgenährte „Nilos“, wie Hannes Schmid die roten Fische nennt. „Rund 20 Tonnen davon produzieren wir pro Jahr“, sagt er. Und dazu kommen Rind- und Hühnerfleisch, Eier, Milch und Käse, Reis und anderes Getreide, Obst, Gemüse, Kräuter sowie neuerdings Vanille.

Wer ihn zwischen Feldern, Gärten, Ställen auf der Farm sieht, könnte daran zweifeln, dass sich Hannes Schmid erst seit neun Jahren wieder mit Agrarwirtschaft befasst. Tatsächlich wuchs der gebürtige Toggenburger in ländlichen Verhältnissen auf, war als Kind ein „Geißenpeter“, wie er selber sagt – ein Junge, der die Ziegen hütet. Die meiste Lebenszeit verbrachte er jedoch als Künstler – und schrieb dabei Geschichte. Stets waren es der Zufall und die Neugierde auf Unbekanntes, die ihn dabei lenkten.

Seine Fotografenkarriere begann der gelernte Elektriker 1967 mit einem Blinddate. Gerade frisch nach Kapstadt ausgewandert, lud man ihn ein, eine Operation im Groote Schur Hospital zu fotografieren. Hatte er doch eine Kamera. Da er kaum Englisch konnte, verstand er nicht, worum es ging. „Erst später erfuhr ich, dass ich die erste Herztransplantation der Welt dokumentiert hatte“, so Hannes Schmid.

 

 

Nach vier Jahren in Afrika ging er nach Sumatra, wo er ein Jahr lang in einer Reha-Station für Orang-Utans arbeitete. Dann zog er zu den damals noch Menschenfleisch essenden Dani-Steinzeitmenschen nach Neuguinea, lebte unter gefährlichsten Bedingungen bei ihnen und dokumentierte das.

Diese Erfahrungen waren sein Ticket in die Welt der Rock- und Popstars. Nach einem Status-Quo-Konzert nahm ihn ein Freund zu einem Essen mit der Band mit. Als die fotografen-hassenden Musiker erfuhren, dass Hannes unter Kannibalen lebte, wollten sie ihn kennenlernen und sich von ihm fotografieren lassen – sogar nackt. Über Nacht war Hannes Schmid berühmt. Fortan standen die Musikmanager bei ihm Schlange. Das Ergebnis: „In acht Jahren fotografierte ich 257 Bands und Sänger“.

Mit vielen Stars freundete er sich an, nahm sie mit nach Hause in die Schweiz und lernte ihnen Skifahren. „Mick Jagger kam manchmal zu ‚Leberkäs und Kartoffelstock‘ vorbeigeflogen. Er liebte das Essen meiner Mutter. Agnieta von ABBA wohnte drei Monate bei ihr, nachdem sie sich von Björn getrennt hatte“, erzählt der Promifotograf, der als erster der Konzertgeschichte bei einer Liveshow mit auf die Bühne durfte. Das war bei AC/DC. Sein Sympathie-Bonus beruhte wohl vor allem darauf, dass er sich gar nicht für Musik interessierte. „Ich war nicht aufdringlich und wurde sicher deshalb von einer Band zur anderen gereicht“, vermutet er.

 

 

In den 1990ern setzte Schmid mit seinen Werken auch Meilensteine in der Mode- und Werbefotografie, insbesondere mit seinen Marlboro-Cowboys, die er in täuschend echten Kunstlandschaften inszenierte (1993–2002), aber auch mit Designermode auf Elefantenrücken und an Steilwänden des Mount Everest sowie Rennwagen in einem Salzsee oder Swimming Pool.

Wer aber brachte diesen kreativen, ewig umtriebigen Abenteurer dazu, sein ganzes Leben umzukrempeln, um sich für Bedürftige zu engagieren? Es war Khat Thim Waew, ein kleines Mädchen aus Kambodscha. „Bedeckt mit einem Lappen, saß es am Straßenrand auf einer Brücke. Als ich ihm Geld gab, sah ich: sein Gesicht und Körper waren komplett von Brandnarben entstellt“, schildert Hannes Schmid das sehr berührende Erlebnis.

Bereits als Baby hatte man das Kind mit Säure übergossen. Die eigene Mutter verkaufte es dann an ein Bettelsyndikat. Durchaus kein Einzelfall, wie Schmid sehr bald erfahren musste. Er kaufte Khat frei und übergab sie in die Obhut eines Waisenhauses. Dort hörte er von vielen ähnlich traurigen Schicksalen: „Die schlimmsten fand ich auf einer Müllhalde am Stadtrand von Phnom Penh. Die Menschen dort leben im Abfall und vom Abfall.“ Um ihre Situation zu begreifen und sie zu dokumentieren zu können, blieb er bei ihnen und teilte schließlich ihren Alltag für ein ganzes Jahr.

„Die Dinge und Lebensmittel, die ich auf eigene Kosten besorgte, waren nur Tropfen auf den heißen Stein. Mir wurde klar: Wenn ich ihnen wirklich helfen will, muss ich mehr tun“, so Schmid. So brachte er die 280 Kinder von der Halde in die Schule. Doch der erste Versuch schlug fehl: „Zunächst schickten uns die Lehrer wieder weg, weil wir schmutzig waren und stanken. Nachdem ich eine Waschgelegenheit an der Mülldeponie gebaut und Schuluniformen gekauft hatte, so dass die Kinder sauber und ordentlich zum Unterricht erscheinen konnten, wurden sie geduldet.“

 

 

Nach sieben Monaten war Schmid klar: „Die Schule machte nichts besser – zumal sich herausstellte, dass die Lehrer selber nicht gebildet waren.“ Aus der eigenen Unzufriedenheit heraus kam der damals schon knapp 70-Jährige auf die Idee, mit Freiwilligen aufs Land zu ziehen. „Die meisten Deponiebewohner waren ehemalige Bauern, die wegen Schulden ihr Land an Banken oder Staat verloren oder keine Mittel hatten, es zu bestellen. So fragte ich, wer denn Verwandte hätte, die noch Land besäßen und Unterstützung bräuchten – bis wir welche fanden.“

Mit ein paar Lkws verließen Schmid und etwa 100 Leuten dann die Müllhalde, um sich im weiten, flachen Irgendwo, knapp 70 Kilometer nordöstlich von Phnom Penh anzusiedeln und Landwirtschaft zu betreiben. Sie hatten weder das passende Saatgut noch zur Zucht geeignete Tiere. „Am Anfang ging fast alles gründlich in die Hose. Wir haben viele Fehler gemacht und viel daraus gelernt.“

Nach Beratung durch Experten von der Uni Zürich ging es von vorne los. „Mit Hühnern, die wir mit unseren kreuzen konnten, und den richtigen Sämereien und Setzlingen. Um den Genpool unserer Schweine aufzufrischen, schmuggelte ich frisches Ebersperma aus der Schweiz – abgefüllt in 20 Bodylotionflaschen, verpackt im Reisekoffer, eisgekühlt“, berichtet Schmid. Es klappte. Nach drei Generationen hatte man gesunde Schweine mit hoher Fruchtbarkeit und gutem Fleisch.

Parallel zu Ackerbau und Tierzucht sorgte Smiling Gecko von Beginn an für die Bildung der Kinder und Ausbildung der Jugendlichen. Der 2017 eröffnete Schul- und Kitakomplex wurde zum Herzstück des gesamten Campus. Aus anfänglichen Provisorien entwickelte sich ein Erfolgsprojekt, das internationale Anerkennung findet und demnächst sogar erweitert wird durch eine Fachhochschule. Inzwischen ist man sich auch in Phnom Penh darüber klar, dass hier etwas Besonderes passiert. „Minister, die privat hier waren, zeigten sich erstaunt, wie höflich und gebildet unsere Kinder sind“, berichtet Hannes Schmid mit väterlichem Stolz.

 

 

„Hello, Mister Hannes!“ ruft ein kleines Mädchen, das mit seinen Klassenkameraden und der Lehrerin im Gänsemarsch über das Schulgelände läuft. Auch ein Junge ruft und alle winken. Derzeit lernen und spielen hier knapp 400 Kinder. Mehr als 1000 sollen es in naher Zukunft sein. „Bis zur ersten Klasse gilt das pädagogische Konzept von Montessori, das heißt soziales Lernen und die Förderung individueller Begabungen stehen im Vordergrund“, erläutert Schmid.

Sehr hilfreich bei der musischen Erziehung seien vielfältige kreative Angebote bis hin zu Tanz, Theater und Musik: „Jedes Kind kann ein frei wählbares Instrument erlernen. Chor und Orchester steht ein Tonstudio bereit. Wichtig sei es auch, die Kinder für den Alltag auszurüsten. Deshalb lernen Mädchen wie Jungen sowohl das Kochen, Nähen oder Bügeln als auch, sich selber zu behaupten und zu verteidigen, so der Initiator des Projekts, der dafür sowohl ausgesuchte Pädagogen in Kambodscha fand als auch internationale Fachkräfte auf den Campus holte.

Die Klasse, die über den Schulhof läuft, ist auf dem Weg zum Duschen. „Das ist ein wichtiger Bestandteil des Tagesablaufs – wie die Körperpflege allgemein“, erklärt Hannes Schmid. Außer hygienischen Zwecken diene das zugleich der Sicherheit der Kinder. Kommen doch in den Waschräumen auch Spuren häuslicher Gewalt zu Tage. Stellen wir solche fest, informieren wir sofort die Polizei.“

 

 

Das riesige Mensa- und Küchengebäude in der Mitte ist für die Kinder soetwas wie das Schlaraffenland. Denn hier erhalten sie täglich zwei Mahlzeiten – Frühstück und Mittagessen – für die meisten die einzigen am Tag. Jeder darf sich sooft holen, wie er mag. Nur übrigbleiben darf nichts. Als bislang größter Raum der Schule ist der offene Speisesaal zugleich auch Bühne für Events – doch nur so lange noch, bis das Musik- und Kunsthaus fertig ist.

 

T I P P S  &  I N F O S

Anreise: Flüge ab Frankfurt mit Singapore Airlines via Singapur (www.singaporeair.com). Vom Flughafen Phnom Penh bis zum Smiling Gecko Campus sind es knapp 70 km bzw. 1,5 Autostunden.
Übernachten und essen: Das Vier-Sterne-Villen-Resort Smiling Gecko Farmhouse liegt inmitten des gleichnamigen Campus. Die ruhige gelegene parkartige Anlage mit großen Bäumen hat zwölf Villen mit je zwei Zimmern sowie zehn Einzelsuiten, drei hervorragende Restaurants, Pool und Spa. Der moderne, 4.000 Quadratmeter große Wellness-Bereich mit acht Privatvillen wurde im Herbst 2023 eröffnet. Buchbar sind außer Übernachtungen mit Vollpension auch nur Campusbesuche bei Dertour und Meiers Weltreisen (www.dertour.de, www.meiers-weltreisen.de).
Fördern und spenden: Der Verein DER Touristik Foundation e. V. setzt sich dafür ein, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände der Menschen wie auch die ökologischen Lebensräume in touristischen Regionen weltweit zu fördern und zu schützen. Bislang wurden und werden 92 Projekte in 28 Ländern auf fünf Kontinenten unterstützt – seit 2019 auch Smiling Gecko, u. a. mit der Finanzierung von zehn Ausbildungsplätzen. Private Spenden können überwiesen werden an DER Touristik Foundation e. V., Commerzbank, IBAN DE 53 3708 0040 0980 0803 00, BIC DRESDEFF370, Betreff: Smiling Gecko
© Text und Fotos: Carsten Heinke.
Die Recherche zu diesem Beitrag wurde unterstützt von DER Touristik Foundation e. V.

Kambodscha: Lächelnd um das Überleben kämpfen

Von den Folgen seiner Bürgerkriege immer noch gezeichnet und gelähmt, zählt Kambodscha weltweit zu den ärmsten Ländern. Durchschnittlich steht einer Familie, oft mit vier bis zu sechs Kindern, pro Jahr nur 1.500 US-Dollar zur Verfügung. Sehr viele müssen mit deutlich weniger zurechtkommen. Die Not treibt sie zur Prostitution, zu Kinderhandel und -missbrauch. Mit seinem Musterdorf „Smiling Gecko Campus“ bereitete der Schweizer Künstler Hannes Schmid vielen Notleidenden einen Weg zur Selbsthilfe, der beispielgebend sein könnte. Eckpfeiler des Projekts sind Landwirtschaft, Tourismus, Handwerk. Schul- und Berufsbildung nach internationalen Standards stehen im Mittelpunkt. Inzwischen profitieren davon tausende Familien. Von Deutschland aus wird das Projekt vom Verein DER Touristik Foundation e. V. unterstützt.

 

 

So plötzlich, wie er anfing, endete der kurze Tropenschauer. Bauern und Gärtner setzen ihre Arbeit fort. Nun „regnet“ es nur noch von Palmen- und Bananenblättern in die großen Auffangbecken. Hannes Schmid ist dankbar für das kostenlose frische Nass. „Was wir davon sammeln können, müssen wir nicht aus 180 Meter Tiefe pumpen. Allein die Fischzucht läuft fast nur mit Regenwasser“, sagt der drahtige Mann im schwarzen Team-Shirt mit allemannischem Akzent.

Der Schweizer mit dem Lausbub-Lächeln lebt überwiegend in der kambodschanischen Provinz Kampong Chhnang. 2014 stellte er dort für rund 100 notleidende Menschen ein ganzheitliches Hilfsprojekt zur Selbstversorgung auf die Beine, machte es zur Stiftung und nannte diese frei nach einem Tier, das nach seiner Ansicht selbst im Kampf ums Überleben lächelt: Smiling Gecko.

 

 

Inzwischen ist der ebenso benannte Campus ein regelrechtes Musterdorf. Innerhalb weniger Jahre wuchs seine Fläche von neun auf 150 Hektar. Tausende Familien im ganzen Umland profitieren direkt oder indirekt von ihm, denn die ansässige Bevölkerung wurde von Beginn an einbezogen. Momentan sind es 285 Angestellte und 70 Auszubildende.

Während und noch lange nach der Covid-Pandemie, als Absatzmöglichkeiten fehlten, verschenkte Smiling Gecko tonnenweise Lebensmittel an Bedürftige. Nach den Spenden, die noch immer auch für die Stiftung selber lebenswichtig sind, stellen Ackerbau und Tierzucht die Haupteinnahmequellen dar. Darum zeigt Hannes Schmid gern seinen Gästen Felder, Gärten, Weiden, Ställe oder – wie jetzt – den Teich, wo Nilbuntbarsche aufgezogen und gemästet werden.

 

 

Der Schwimmsteg schwankt. Doch flink und sportlich eilt der 76-Jährige darüber. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Mit Sachverstand und Stolz blickt er auf das Geplätscher unter sich. Dort in den Aufzuchtbecken tummeln sich zigtausend gutgenährte „Nilos“, wie Hannes Schmid die roten Fische nennt. „Rund 20 Tonnen davon produzieren wir pro Jahr“, sagt er. Und dazu kommen Rind- und Hühnerfleisch, Eier, Milch und Käse, Reis und anderes Getreide, Obst, Gemüse, Kräuter sowie neuerdings Vanille.

Wer ihn zwischen Feldern, Gärten, Ställen auf der Farm sieht, könnte daran zweifeln, dass sich Hannes Schmid erst seit neun Jahren wieder mit Agrarwirtschaft befasst. Tatsächlich wuchs der gebürtige Toggenburger in ländlichen Verhältnissen auf, war als Kind ein „Geißenpeter“, wie er selber sagt – ein Junge, der die Ziegen hütet. Die meiste Lebenszeit verbrachte er jedoch als Künstler – und schrieb dabei Geschichte. Stets waren es der Zufall und die Neugierde auf Unbekanntes, die ihn dabei lenkten.

Seine Fotografenkarriere begann der gelernte Elektriker 1967 mit einem Blinddate. Gerade frisch nach Kapstadt ausgewandert, lud man ihn ein, eine Operation im Groote Schur Hospital zu fotografieren. Hatte er doch eine Kamera. Da er kaum Englisch konnte, verstand er nicht, worum es ging. „Erst später erfuhr ich, dass ich die erste Herztransplantation der Welt dokumentiert hatte“, so Hannes Schmid.

 

 

Nach vier Jahren in Afrika ging er nach Sumatra, wo er ein Jahr lang in einer Reha-Station für Orang-Utans arbeitete. Dann zog er zu den damals noch Menschenfleisch essenden Dani-Steinzeitmenschen nach Neuguinea, lebte unter gefährlichsten Bedingungen bei ihnen und dokumentierte das.

Diese Erfahrungen waren sein Ticket in die Welt der Rock- und Popstars. Nach einem Status-Quo-Konzert nahm ihn ein Freund zu einem Essen mit der Band mit. Als die fotografen-hassenden Musiker erfuhren, dass Hannes unter Kannibalen lebte, wollten sie ihn kennenlernen und sich von ihm fotografieren lassen – sogar nackt. Über Nacht war Hannes Schmid berühmt. Fortan standen die Musikmanager bei ihm Schlange. Das Ergebnis: „In acht Jahren fotografierte ich 257 Bands und Sänger“.

Mit vielen Stars freundete er sich an, nahm sie mit nach Hause in die Schweiz und lernte ihnen Skifahren. „Mick Jagger kam manchmal zu ‚Leberkäs und Kartoffelstock‘ vorbeigeflogen. Er liebte das Essen meiner Mutter. Agnieta von ABBA wohnte drei Monate bei ihr, nachdem sie sich von Björn getrennt hatte“, erzählt der Promifotograf, der als erster der Konzertgeschichte bei einer Liveshow mit auf die Bühne durfte. Das war bei AC/DC. Sein Sympathie-Bonus beruhte wohl vor allem darauf, dass er sich gar nicht für Musik interessierte. „Ich war nicht aufdringlich und wurde sicher deshalb von einer Band zur anderen gereicht“, vermutet er.

 

 

In den 1990ern setzte Schmid mit seinen Werken auch Meilensteine in der Mode- und Werbefotografie, insbesondere mit seinen Marlboro-Cowboys, die er in täuschend echten Kunstlandschaften inszenierte (1993–2002), aber auch mit Designermode auf Elefantenrücken und an Steilwänden des Mount Everest sowie Rennwagen in einem Salzsee oder Swimming Pool.

Wer aber brachte diesen kreativen, ewig umtriebigen Abenteurer dazu, sein ganzes Leben umzukrempeln, um sich für Bedürftige zu engagieren? Es war Khat Thim Waew, ein kleines Mädchen aus Kambodscha. „Bedeckt mit einem Lappen, saß es am Straßenrand auf einer Brücke. Als ich ihm Geld gab, sah ich: sein Gesicht und Körper waren komplett von Brandnarben entstellt“, schildert Hannes Schmid das sehr berührende Erlebnis.

Bereits als Baby hatte man das Kind mit Säure übergossen. Die eigene Mutter verkaufte es dann an ein Bettelsyndikat. Durchaus kein Einzelfall, wie Schmid sehr bald erfahren musste. Er kaufte Khat frei und übergab sie in die Obhut eines Waisenhauses. Dort hörte er von vielen ähnlich traurigen Schicksalen: „Die schlimmsten fand ich auf einer Müllhalde am Stadtrand von Phnom Penh. Die Menschen dort leben im Abfall und vom Abfall.“ Um ihre Situation zu begreifen und sie zu dokumentieren zu können, blieb er bei ihnen und teilte schließlich ihren Alltag für ein ganzes Jahr.

„Die Dinge und Lebensmittel, die ich auf eigene Kosten besorgte, waren nur Tropfen auf den heißen Stein. Mir wurde klar: Wenn ich ihnen wirklich helfen will, muss ich mehr tun“, so Schmid. So brachte er die 280 Kinder von der Halde in die Schule. Doch der erste Versuch schlug fehl: „Zunächst schickten uns die Lehrer wieder weg, weil wir schmutzig waren und stanken. Nachdem ich eine Waschgelegenheit an der Mülldeponie gebaut und Schuluniformen gekauft hatte, so dass die Kinder sauber und ordentlich zum Unterricht erscheinen konnten, wurden sie geduldet.“

 

 

Nach sieben Monaten war Schmid klar: „Die Schule machte nichts besser – zumal sich herausstellte, dass die Lehrer selber nicht gebildet waren.“ Aus der eigenen Unzufriedenheit heraus kam der damals schon knapp 70-Jährige auf die Idee, mit Freiwilligen aufs Land zu ziehen. „Die meisten Deponiebewohner waren ehemalige Bauern, die wegen Schulden ihr Land an Banken oder Staat verloren oder keine Mittel hatten, es zu bestellen. So fragte ich, wer denn Verwandte hätte, die noch Land besäßen und Unterstützung bräuchten – bis wir welche fanden.“

Mit ein paar Lkws verließen Schmid und etwa 100 Leuten dann die Müllhalde, um sich im weiten, flachen Irgendwo, knapp 70 Kilometer nordöstlich von Phnom Penh anzusiedeln und Landwirtschaft zu betreiben. Sie hatten weder das passende Saatgut noch zur Zucht geeignete Tiere. „Am Anfang ging fast alles gründlich in die Hose. Wir haben viele Fehler gemacht und viel daraus gelernt.“

Nach Beratung durch Experten von der Uni Zürich ging es von vorne los. „Mit Hühnern, die wir mit unseren kreuzen konnten, und den richtigen Sämereien und Setzlingen. Um den Genpool unserer Schweine aufzufrischen, schmuggelte ich frisches Ebersperma aus der Schweiz – abgefüllt in 20 Bodylotionflaschen, verpackt im Reisekoffer, eisgekühlt“, berichtet Schmid. Es klappte. Nach drei Generationen hatte man gesunde Schweine mit hoher Fruchtbarkeit und gutem Fleisch.

Parallel zu Ackerbau und Tierzucht sorgte Smiling Gecko von Beginn an für die Bildung der Kinder und Ausbildung der Jugendlichen. Der 2017 eröffnete Schul- und Kitakomplex wurde zum Herzstück des gesamten Campus. Aus anfänglichen Provisorien entwickelte sich ein Erfolgsprojekt, das internationale Anerkennung findet und demnächst sogar erweitert wird durch eine Fachhochschule. Inzwischen ist man sich auch in Phnom Penh darüber klar, dass hier etwas Besonderes passiert. „Minister, die privat hier waren, zeigten sich erstaunt, wie höflich und gebildet unsere Kinder sind“, berichtet Hannes Schmid mit väterlichem Stolz.

 

 

„Hello, Mister Hannes!“ ruft ein kleines Mädchen, das mit seinen Klassenkameraden und der Lehrerin im Gänsemarsch über das Schulgelände läuft. Auch ein Junge ruft und alle winken. Derzeit lernen und spielen hier knapp 400 Kinder. Mehr als 1000 sollen es in naher Zukunft sein. „Bis zur ersten Klasse gilt das pädagogische Konzept von Montessori, das heißt soziales Lernen und die Förderung individueller Begabungen stehen im Vordergrund“, erläutert Schmid.

Sehr hilfreich bei der musischen Erziehung seien vielfältige kreative Angebote bis hin zu Tanz, Theater und Musik: „Jedes Kind kann ein frei wählbares Instrument erlernen. Chor und Orchester steht ein Tonstudio bereit. Wichtig sei es auch, die Kinder für den Alltag auszurüsten. Deshalb lernen Mädchen wie Jungen sowohl das Kochen, Nähen oder Bügeln als auch, sich selber zu behaupten und zu verteidigen, so der Initiator des Projekts, der dafür sowohl ausgesuchte Pädagogen in Kambodscha fand als auch internationale Fachkräfte auf den Campus holte.

Die Klasse, die über den Schulhof läuft, ist auf dem Weg zum Duschen. „Das ist ein wichtiger Bestandteil des Tagesablaufs – wie die Körperpflege allgemein“, erklärt Hannes Schmid. Außer hygienischen Zwecken diene das zugleich der Sicherheit der Kinder. Kommen doch in den Waschräumen auch Spuren häuslicher Gewalt zu Tage. Stellen wir solche fest, informieren wir sofort die Polizei.“

 

 

Das riesige Mensa- und Küchengebäude in der Mitte ist für die Kinder soetwas wie das Schlaraffenland. Denn hier erhalten sie täglich zwei Mahlzeiten – Frühstück und Mittagessen – für die meisten die einzigen am Tag. Jeder darf sich sooft holen, wie er mag. Nur übrigbleiben darf nichts. Als bislang größter Raum der Schule ist der offene Speisesaal zugleich auch Bühne für Events – doch nur so lange noch, bis das Musik- und Kunsthaus fertig ist.

 

T I P P S  &  I N F O S

Anreise: Flüge ab Frankfurt mit Singapore Airlines via Singapur (www.singaporeair.com). Vom Flughafen Phnom Penh bis zum Smiling Gecko Campus sind es knapp 70 km bzw. 1,5 Autostunden.
Übernachten und essen: Das Vier-Sterne-Villen-Resort Smiling Gecko Farmhouse liegt inmitten des gleichnamigen Campus. Die ruhige gelegene parkartige Anlage mit großen Bäumen hat zwölf Villen mit je zwei Zimmern sowie zehn Einzelsuiten, drei hervorragende Restaurants, Pool und Spa. Der moderne, 4.000 Quadratmeter große Wellness-Bereich mit acht Privatvillen wurde im Herbst 2023 eröffnet. Buchbar sind außer Übernachtungen mit Vollpension auch nur Campusbesuche bei Dertour und Meiers Weltreisen (www.dertour.de, www.meiers-weltreisen.de).
Fördern und spenden: Der Verein DER Touristik Foundation e. V. setzt sich dafür ein, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände der Menschen wie auch die ökologischen Lebensräume in touristischen Regionen weltweit zu fördern und zu schützen. Bislang wurden und werden 92 Projekte in 28 Ländern auf fünf Kontinenten unterstützt – seit 2019 auch Smiling Gecko, u. a. mit der Finanzierung von zehn Ausbildungsplätzen. Private Spenden können überwiesen werden an DER Touristik Foundation e. V., Commerzbank, IBAN DE 53 3708 0040 0980 0803 00, BIC DRESDEFF370, Betreff: Smiling Gecko
© Text und Fotos: Carsten Heinke.
Die Recherche zu diesem Beitrag wurde unterstützt von DER Touristik Foundation e. V.