Einsame Meeresstrände, schneebedeckte Wälder, unzählige stille Wasserflächen, die der Frost in Sport- und Abenteuerspielplätze verwandelt. Der Norden und Nordosten Polens sind in der kalten Jahreszeit ein Tummelplatz für Eisläufer, Eissegler und Eisschwimmer, Eisangler und Eistaucher. Und selbst zu Ski Alpin und Snowboarding mit Ostseeblick gibt es Gelegenheit – zu Langlauf, Rodeln, Winterwandern sowieso. Perfekt ergänzt wird all der Outdoorspaß durch jede Menge Wellness-Angebote, gutes Essen und Kultur.
Stettin: Tanzen auf dem Eis und Sternstunden für junge Meereswissenschaftler
Foto: MCN
Unsere winterliche Reise durch den weiten, weißen und oft menschenleeren Norden Polens beginnt zwei Autostunden von Berlin (mit Flixbus ab 2 h 10 min) – in Szczecin (Stettin), der hippen City an der Oder, Hauptstadt von Westpommern. Auf der Uferpromenade tanzten wir im Sommer unter alten Hafenkränen Tango. Jetzt zieht es uns zur Netto-Arena. Dort lädt die überdachte Eisbahn in diesem Winter bis zum 16. Februar zum Schlittschuh laufen ein. Bis zum 22. Dezember 2024 findet der Stettiner Weihnachtsmarkt statt.
Lieblingsplatz der Jüngsten ist das Maritime Wissenschaftszentrum MCN. Der futuristische Palast für junge Meeresforscher ist die neueste Attraktion der alten Schifffahrtsstadt am Haff. Hier können Kinder und Erwachsene mit cooler Technik experimentieren und viel Wissenswertes rund ums Wasser lernen. Und weil die Sterne wichtig für die Seefahrt sind, ist auch ein Planetarium im Haus. Während die Kids an einem Bootsmodell im Workshop basteln, genießen die Erwachsenen vom Aussichtsdeck spektakuläre Blicke auf die Altstadt und den Fluss, der wenige Kilometer weiter in die Ostsee mündet.
Foto: Carsten Heinke
Schnell gelangen wir von hier aus ans Stettiner Haff und auf die Insel Usedom nach Swinemünde. Die „Stadt auf 44 Inseln“ mit der berühmten Mühlenbake hat nicht nur schöne und im Winter einsame Strände und Leuchttürme, sondern auch spannende Festungsbauten aus dem 19. Jahrhundert. Das Westliche Fort hat auch im Dezember und Januar geöffnet. Vom Ostseebad Międzyzdroje (Misdroy), wo wir im Hotel Aurora Family & SPA übernachten, starten wir zu Winterwanderungen durch den Woliner Nationalpark. Unsere Highlights in diesem Naturschutzgebiet an der Ostsee sind neben der Steilküste mit Aussichtspunkten uralte Bäume und der Türkis-See. Favorit der Kinder ist das Wisentgehege im nahen Wald.
Foto: Carsten Heinke
Märchenhafte Seen- und Waldlandschaften – ob mit, ob ohne Eis und Schnee – gibt es in Westpommern auch abseits der Küste. Ein echtes Abenteuerparadies ist der ganzjährig geöffnete Drawa-Nationalpark mit urigen Wäldern und wilden kleinen Flüssen. Wer nur wenig Zeit hat, sollte sich unbedingt den Krummen Wald bei Gryfino ansehen. Die Residenzen der Herzöge, die Pommern einst regierten, kann man gerade in den Wintermonaten in aller Ruhe besichtigen – etwa das Stettiner Schloss oder Schloss Darłowo (Rügenwalde), wo nicht nur die Rügenwalder Wurst erfunden wurde, sondern auch der letzte „Wikingerkönig“ Erich I. seine zehn letzten Lebensjahre verbrachte.
Eisbaden in Mielno: Mit „Walrossen“ und Halligalli in die frostig kalten Wellen
Foto: POT/MZM
Ich gebe zu, meine letzten Badeabenteuer bei Wassertemperaturen unter zehn Grad Celsius sind eine Weile her. Doch kann ich mich sehr gut daran erinnern, wie toll ich mich danach stets fühlte. Gesund sein soll es auch. Sind Winterbader doch bekannt dafür, dass ihnen Husten oder Schnupfen fremd sind. Probiere ich es wieder? Wenn ja, muss ich mich langsam dran gewöhnen. Beim nächsten Eisschwimmfestival in Mielno (Großmöllen) vom 6. bis 9. Februar 2025 werde ich wohl nur als Zuschauer am Strand dabei sein.
Doch auch das wird großer Spaß. Denn die 22. Internationale Rallye der Walrosse – so nennen sich die kälteunempfindlichen Wasserratten selbst – wird feuchtfröhlich, lautstark und knallbunt umrahmt von jeder Menge Halligalli. 2024 lockte das Spektakel über 8.500 Teilnehmer in den Ostseebadeort bei Koszalin (Köslin). Entsprechend zahlreich war das Publikum. Darum empfehle ich, sich rechtzeitig um ein Ticket und die Unterkunft zu kümmern.
Die gerade einmal 2.200 Einwohner zählende Stadt Mielno liegt sowohl am Meer als auch am Jezioro Jamno (Jamunder See). Bevor dieser durch Versandung zur Lagune wurde, war er die Jamunder Bucht, an deren südlichem Ende bis zum 16. Jahrhundert der Hafen von Köslin lag. Jetzt trennt ihn eine junge Nehrung von der Ostsee. Die zehn Kilometer lange, 500 bis 700 Meter breite Landzunge ist ein beliebtes Feriendomizil – mehr und mehr auch in der kalten Jahreszeit, wenn die im Sommer oft recht vollen Strände an normalen Tagen eher leer und einsam sind. Gut versüßen kann man seinen Winterurlaub hier mit Kur und Wellness.
Foto: Carsten Heinke
Łeba: Über kahle Dünenberge kraxeln und dann im Strand-Schloss schlemmen
Foto: Carsten Heinke
Wind und feiner Meeressand formen im Słowiński Park Narodowy (Slowinzischer Nationalpark) nahe dem Ostseestädtchen Łeba (Leba) eine sehr spezielle, wunderschöne Küstenlandschaft. Dünen sind am Meer nichts Ungewöhnliches. Doch diese hier sind schon ein kleines Sandgebirge und obendrein noch permanent auf Wanderschaft. Im Sommer trifft man viele Leute hier. Jetzt in der kalten Jahreszeit ist es fast menschenleer und still. Ich zum Beispiel bin heute allein mit der Natur.
Meine Wanderung startet in Łeba. Im Sommer warten Elektrotaxis – „Meleks“ genannt – am Parkeingang. Im Winter, wenn es kaum Besucher gibt, muss man sie vorbestellen. Ich laufe lieber – und auch nicht die Straße lang, sondern auf einem Trampelpfad durch lichten Küstenwald. Wo er endet, fängt die Wüste an. Denn dort erhebt sie sich zur Wydma Łącka (Lontzkedüne), auch Łącka Góra (Lontzkeberg) genannt.
Fotos: Zamek Łeba
Mit breiten, ausladenden Hängen und einem hohen Kamm zieht sich die Superdüne über eine Nehrung zwischen Meer und Jezioro Łebsko (Lebasee). 500 Hektar groß und im Sommer bis zu 42 Meter mächtig, zählt sie zu Europas höchsten und massivsten Wandersandgebirgen. Jetzt im Winter ist sie etwas niedriger. Dafür ist ihr Tempo höher. Beständig neue Muster bläst der Wind hinein, lässt die feinen Körner bis zur Oberkante aufwärts rieseln, bis sie wieder steil nach unten fallen, und hält damit den ganzen Riesenhaufen unablässig in Bewegung.
Bis zu zwölf Meter jährlich verschiebt sich dieser so von West nach Ost. Ohne Rücksicht auf Verluste begräbt die Wüste in Bewegung dabei alles unter sich, was ihr im Wege steht – so wie einst auch das Dorf Lontzke und den Wald ringsum. Am Anfang wie am Ende der Lawine sehe ich die Spitzen toter Kiefern oder Birken. So wie Ertrinkende verzweifelt ihre Arme heben, strecken die erstickten Bäume ihre kahlen Äste aus dem Sand. Nun stehe ich ganz oben und schaue auf zwei Wasserflächen. Vor mir liegt die Ostsee, hinter mir der Lebasee.
Am breiten Strand mit feinem Sand und dunklen Kieselsteinen marschiere ich zurück nach Łeba, wo mich schon mein Abendessen und ein sehr bequemes Bett erwarten. Sowohl mein Zimmer als das Restaurant befinden sich im Zamek Łeba, ein Vier-Sterne-Strandhotel im Stile eines Schlosses mit einem Spa und wunderschöner Aussicht. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es eröffnet, vor ein paar Jahren gründlich renoviert und mit modernem, elegantem Innenleben ausgestattet. Ein weiteres Hotel in einem echten historischen Schloss in Łeba ist Zamek Nowęcin (Schloss Neuhof).
Sopot: Wo man von Sauna, Eislaufbahn und Skihang auf Strand und Meer schaut
Radisson Blu Hotel Sopot, das Haffner Hotel & SPA Sopot, das Hotel Rezydent oder kleinere wie das Testa Hotel und jede Menge andere sehr gute wie das Umi Hotel, das Sea Side Sopot oder das Hotel Eureka. Ganz auf Heilung und Wohlbefinden ausgerichtet sind das Balneologische Zentrum und das Sopotorium Hotel & Medical Spa.
Buchtipp: Mehr zum Thema gibt’s in meinem Reisebuch Nordpolen – 56 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade, Online-Bestellungen hier.
Allgemeine Info-Links: Polen Travel, Pommern kulinarisch
Foto: visit.sopot.pl