Einsame Meeresstrände, schneebedeckte Wälder, unzählige stille Wasserflächen, die der Frost in Sport- und Abenteuerspielplätze verwandelt. Der Norden und Nordosten Polens sind in der kalten Jahreszeit ein Tummelplatz für Eisläufer, Eissegler und Eisschwimmer, Eisangler und Eistaucher. Und selbst zu Ski Alpin und Snowboarding mit Ostseeblick gibt es Gelegenheit – zu Langlauf, Rodeln, Winterwandern sowieso. Perfekt ergänzt wird all der Outdoorspaß durch jede Menge Wellness-Angebote, gutes Essen und Kultur.
Danzig: Nach der Sterneküche auf die Skipiste am höchstem Berg Nordpolens
Foto: Kurza Góra
Zum Wintersport nach Danzig? Na klar, das geht. Und damit meine ich nicht nur die Eislaufbahn mitten in der Ostseestadt oder die Eissporthalle Hala Oliva nahe Sopot. Denn schließlich steckt Kaschubien, als dessen ungekürte Hauptstadt Danzig gilt, voller landschaftlicher Überraschungen.
Eine davon ist die seen- und hügelreiche Szwajcaria Kaszubska (Kaschubische Schweiz) und ihre markanteste Erhebung Wieżyca (auf Deutsch: Turmberg), nur eine Autostunde weit entfernt von Danzig. Mit 329 Metern ist sie höchste in Nordpolen und zugleich des gesamten Baltischen Landrückens, der sich entlang der Ostseeküste von Jütland bis nach Estland zieht. Auf einer Höhe zwischen 190 und 235 Meter befindet sich das Wintersportgebiet Koszałkowo-Wieżyca.
Foto: PROT / Mateusz Ochocki
Skifahrern und Snowboardern stehen Pisten von 1.100 Metern Länge und sechs Lifte zur Verfügung. Die hier ansässige Ski- und Snowboardschule, eine der größten und besten in Nordpolen, bildet sogar Skilehrer aus. Anfängern hilft ein moderner Bandlift, der so genannte Zauberteppich. Zu den speziellen Angeboten für den Nachwuchs zählen der Skikindergarten „Ziajalandia“ und ein Skikarussell.
Unweit des Wieżyca-Gipfels steht ein 35 Meter hoher, ganzjährig (außer bei schlechten Wetterbedingungen) geöffneter Aussichtsturm. Von ihm aus reicht der Blick weit übers Land. Zum Übernachten und Essen gibt es Gelegenheiten im Resort sowie in nächster Nachbarschaft. Die größte Auswahl an Hotels und Top-Restaurants bietet natürlich Danzig, nur 40 Kilometer weiter.
Ach, wer soll denn das nur alles essen!
Fotos: Carsten Heinke
In der seit langem reichen, vielseitigen Gastroszene dieser wunderbaren Hafenmetropole funkeln neuerdings auch Michelin-Sterne. Stadtweit den ersten vergab der französische Gourmetführer 2024 an das Arco by Paco Pérez. Das spanisch inspirierte polnische Restaurant befindet sich im 33. Stock von Danzigs erstem Wolkenkratzer, dem 180 Meter hohen Olivia Star im In-Stadtteil Oliwa gleich neben Sopot.
Ein weiteres Restaurant in diesem 2018 eingeweihten Hochhaus ist das Treinta y Tres mit moderner spanischer Küche. Ihm verlieh Michelin den Bib-Gourmand-Award für sein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Den ersten Grünen Stern in ganz Polen erhielt 2024 das Eliksir für sein nachhaltiges Gesamtkonzept. Auch dieses 2015 eröffnete Restaurant mit Cocktailbar liegt nicht in, doch nahe an Danzigs historischem Zentrum – im angesagten „Günter-Grass-Viertel“ Wrzeszcz (Langfuhr). Ebenfalls in diesem Stadtbezirk findet man das zweite mit einem „Bib Gourmand“ ausgezeichnete Hewelke, ein Restaurant mit internationaler Küche und Bäckerei.
Und noch drei weitere der neun neuen Bib-Gourmand-Restaurants in Polen sind in Pommern angesiedelt: das 1911 Restaurant und das Vinissimo in Sopot sowie das stilvolle Luneta & Lorneta Bistro Club im Gutshof Ciekocinko (Zakenzin), 24 Kilometer von Łeba.
Bei einer solchen Riesenauswahl kulinarischer Adressen kann man wirklich leicht den Überblick verlieren. Mein Tipp deshalb: Schnappt euch für eure Schlemmertour durch Danzig oder Pommern einen professionellen Gastro-Guide wie Andreas Kasperski, Danziger Urgestein, halb polnisch und halb deutsch. Er kennt nicht nur jedes Restaurant in seiner Stadt, sondern auch alles, was man Interessantes über sie erzählen kann. Wer noch vor dem 23. Dezember 2024 nach Nordpolen reist, sollte unbedingt den Danziger Weihnachtsmarkt besuchen. Er gilt als einer der schönsten der Welt.
Foto: PROT / Mateusz Ochocki
Marienburg: In rauen Winternächten durch die größte aller Ritterburgen geistern
Auf unserem Weg in die Stadt Malbork (Marienburg) sahen wir schon mehr als eine Handvoll mittelalterlicher Burgen. Doch jede einzelne davon ließe sich bequem verstecken in dem Koloss aus roten Ziegeln, der sich nun vor uns in beeindruckendsten Maßen präsentiert. Die Marienburg! Mit einer Fläche von 21 Hektar gilt sie als größtes Werk der Backsteingotik.
Durch dreifache Mauern und 14 Tore gesichert, hielt der gigantische Komplex am Nogat-Fluss vielen Belagerungen stand. Im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden errichtet, diente er von 1309 bis 1454 als dessen Zentrum. Von ihr aus herrschten die Hochmeister über das mächtige Kreuzritterreich, das sich in seiner Blütezeit von Estland bis zur Neumark erstreckte.
Mit seiner Niederlage in der Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 verfiel der Klosterstaat. Ludwig von Erlichshausen war der letzte Hochmeister, der in der Marienburg residierte. Als er seine böhmischen Söldner nicht mehr bezahlen konnte, verpfändete er ihnen die Burg – und sie verkauften diese lukrative Immobilie mit Flussblick, Bad und Heizung 1457 für 660 Kilogramm Gold an den polnischen König Kasimir IV. Andreas.
Mit zeitweiligen Unterbrechungen durch schwedische Besatzer blieb sie bis zur Übergabe an Westpreußen im Jahr 1772 eine Residenz der polnischen Monarchen. In der Folge oft zerstört und wiederaufgebaut, steht das einzigartige Gebäude jetzt als Weltkulturerbe unter UNESCO-Schutz und dient vor allem als Museum.
Foto: Carsten Heinke
Geöffnet ist es übers ganze Jahr und kann auch in der Herbst-Winter-Saison individuell oder mit Guide im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Besonders viel historisch-abenteuerliche Atmosphäre haben meiner Meinung nach die abendlichen Führungen im Winter nach Einbruch der Dunkelheit, möglich bis zum 31. Dezember. Da man sich dafür sowieso anmelden muss, empfiehlt es sich, den Rundgang mit Freunden zu planen und die Kosten für den Wunschtermin zu teilen. Für Liebhaber mittelalterlicher Romantik ist so ein Exklusivbesuch bestimmt auch eine dankbare Geschenkidee.
Südlich von Marienburg stehen übrigens zwei weitere interessante Baudenkmale: die Ordensburg Sztum (Stuhm) und die ab 1322 entstandene Bischofsburg Kwidzyn (Marienwerder). Letztere verdankt ihr sehr spezielles Aussehen dem größten je gebauten Dansker.
Dieser als Toilette genutzte Turm ist durch eine auf massiven Säulen ruhende Brücke mit dem Rest der Burg verbunden und diente nach neuesten Erkenntnissen tatsächlich nur der Notdurft der Bewohner wie Besucher und nicht wie im Fall der Marienburg auch zur Verteidigung. Der wehrhafte Turm mit dem ehemaligen Hauptklo über der Nogat ist dort über einen 60 Meter langen Gang mit dem Hochschloss verbunden.
Per Rodel, Ski und Snowboard durch Ermland-Masurens hügeliges Seenland
Genauso häufig wie die Ski-Berge in Pommern kurz vor der Ostseeküste sorgen die Wintersportgebiete in Ermland-Masuren für Erstaunen. Das wichtigste und größte ganz Nordpolens, Kurza Góra in Kurzętnik (Kauernik), liegt auf einer Höhe zwischen 101 und 143 Metern. Es verfügt über drei beleuchtete Pisten von 550, 770 und 900 Meter Länge mit bis zu 64 Meter Höhenunterschied, zwei Tellerlifte sowie einen Winter-Freizeitpark mit Bandlift und 60 Meter langer Übungspiste, eine beleuchtete Eis- und eine Tubingbahn (Röhrenrutsche), die mit 700 Metern zu den längsten in Europa zählt.
Jüngste Attraktion im Ort ist der 2021 eingeweihte, 35 Meter hohe Aussichtsturm nebst „Wolkenpfad“, einem zwei Kilometer langen Stelzenweg mit multimedialen Infos zu Geschichte und Natur. Die komplette Konstruktion wurde aus Holz gefertigt. Von ganz oben bietet sich ein großartiges Panorama übers Kulmerland. Diese historische Landschaft liegt heute größtenteils in Kujawien-Pommern, kleinere Gebiete in den Nachbarwoiwodschaften Pommern und Ermland-Masuren.
Am 8. Februar 2025 findet in Kurza Góra der letzte Wettkampf vorm Finale im Kinder-Ski-und-Snowboard-Wettbewerb Liga Kubusiowego Narciarza statt. Start des Wettbewerbsserie mit Winnie Puuh, dem Pinguin und vielen winterlichen Spiel- und Spaßaktionen ist am 18. Januar im Wintersportresort Czarny Groń bei Rzyki in den Kleinen Beskiden. Austragungsort des Finales am 25. Februar ist der Ski- und Bike-Park Skolnity in Wisła (Weichsel).
Fotos: Kurza Góra
Die Stadt Mrągowo (Sensburg) mitten in der Masurischen Seenplatte ist jeden Sommer Gastgeberin eines großen Countrymusik-Festivals. Dass nahe ihres Zentrums Wintersport betrieben wird, ist eher unbekannt. Als Standort dafür dient der 182,5 Meter hohe Góra Czterech Wiatrów (Hügel der Vier Winde, Spitzname: G4W) auf der ebenso benannten Halbinsel im Jezioro Czos (Schoss-See).
Das ganzjährige Ausflugsziel und winterliche Skigebiet G4W verfügt über zwei Einpersonen-Schlepplifte. Der eine ist 290, der andere 270 Meter lang. Die Höhe der künstlich beschneiten, präparierten und beleuchteten Pisten liegt zwischen 132 und 167 Meter. Direkt neben dem Parkplatz befinden sich die Übungspiste und eine lizenzierte Ski- und Snowboardschule. Außerdem gibt es Gastronomie, Ausrüstungsvermietung und einen Skiservice.
Foto: Tourist-Info Mrągowo / Paweł Krasowski
Zum Skilanglauf bieten sich in Mrągowo zwei Loipen an: die 2,5 Kilometer lange rote im Stadtwald am Jezioro Czarne (Schwarzer See) nördlich vom Zentrum sowie die 1,5 Kilometer lange grüne am Czos. Beide sind als Endlosschleifen angelegt. In der schneefreien Zeit können ihn Spaziergänger und Fahrradfahrer nutzen. Langlauf-Begeisterte können auch im Skidorf Wiartel am gleichnamigen See bei Pisz (Johannisburg) zu ausgiebigen Touren durch die weitläufigen Wälder der Puszcza Piska (Johannisburger Heide) starten.
Erst seit 2015 besteht das resorteigene Skigebiet Gołębiewski in Mikołajki (Nikolaiken). Die 700 Meter lange Piste zum Skifahren und Snowboarden mit einem Lift liegt auf einer Höhe zwischen 132 bis 155 Metern.
Das Skigebiet des Okrągłe Resort Ski & Safari in Wydminy liegt auf einer Höhe zwischen 147 und 168 Meter. Es verfügt über einen Schlepp- und einen Bandlift, die in der Regel während der Saison täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet sind. Für Gruppen 20 Personen werden auch Nachtfahrten ab 22 Uhr organisiert. Die Strecken sind beleuchtet, präpariert und künstlich beschneit. Es gibt einen Ausrüstungsverleih mit Skiservice sowie eine Skischule, Gästezimmer, gastronomische Versorgung, ein großes Wildtiergehege und einen Parkplatz für 400 Autos.
Eissegeln in Masuren: Über zugefrorene Seen mit flinken Segelschlitten jagen
Foto: Gospoda pod Czarnym Łabędziem w Rydzewie
Masuren ist das Land der Burgen, Wälder, Seen. Hier gibt es rund 3.000 größere und kleine Wasserflächen, die oft durch Flüsse und Kanäle miteinander verbunden sind. Im Sommer paddelten wir hier von einem See zum nächsten. Im Winter, der hier meistens so kalt ist, dass er alles Nass gefrieren lässt, können wir als Eiswanderer und Schlittschuhläufer auf den erstarrten Seen und Flüssen lange Strecken auf rutschsicheren Schuhen oder Kufen zurücklegen.
Als Trip-Skating, auch Wild-Skating oder Nordic Skating ist das Schlittschuhlaufen auf zugefrorenen Naturgewässern bekannt. Beste Bedingungen für die aus Skandinavien stammende Trendsportart bietet die wasserreiche Landschaft von Masuren – in der Regel zwischen Ende Dezember und Anfang März. Idyllische Natur – verschneite Wälder, Wiesen, Felder, hier und da ein Fuchs, ein Reh, ein Hirsch, vielleicht sogar ein Elch – wie auch winterliche Dör0fer an den Ufern begleiten dieses Outdoor-Abenteuer wie Gemälde aus vergangenen Epochen.
Foto: Tourist-Info Giżycko
Ein Abenteuer bleibt es dennoch. Ratsam ist es, sich vorher mit den Bedingungen vertrautzumachen und am besten in erfahrener Begleitung und keinesfalls alleine an den Start zu gehen, unbedingt auch stets mit einem Rettungs-Set (Seil und Haken, warme Wechselsachen) im Rucksack.
Wer sich absichtlich in die superkalte Unterwasserwelt begeben will und Taucherfahrungen besitzt, bucht einen Tauchgang unterm Eis im Mazurskie Centrum Nurkowe in Giżycko. Das klare Nass der eisbedeckten Seen bietet Sichtweiten bis zu 20 Metern.
35 Kilometer weiter östlich, in Łękuk Mały (Klein Lenkuk) bietet das Landhotel Folwark Łękuk winterliche Aktivitäten für die ganze Familie an – darunter Langlauf, Rodeln, Schneewanderungen, aber auch Kajakfahrten, solange der Jezioro Łękuk (Klein Lenkuker See) nicht zugefroren ist. Vom 2. Bis 8. Februar 2025 bietet das Hotel ein Winter-Survival-Camp für die ganze Familie an.
Foto: Tourist-Info Giżycko
Neben dem Eisangeln, das traditionell an allen erlaubten Fischgewässern in Nordpolen mit viel Leidenschaft betrieben wird, ist an den großen Seen der Region wie Śniardwy (Spirdingsee) und Mamry (Mauersee) auch das Eissegeln angesagt. Die winterliche Highspeed-Sportart, polnisch Bojery oder Żeglarstwo lodowe, hat in Masuren seit Jahrzehnten einen festen Platz. Neuerdings kommt auch das Iceboarding – Surfen auf einem Brett mit Kufen – in Mode.
Startbasis der „Segelschlitten“ oder „Eisboote“ inklusive Lern- und Übungsangeboten sowie Ausrüstungsverleih sind etwa das Ferienzentrum Łabędzi Ostrów am Jezioro Kisajno (Kissainsee) bei Giżycko (Lötzen) oder Hotel Santa Monica in Mikołajki (Nikolaiken). Beide Städte sind erprobte Urlaubsorte mit vielen Übernachtungsmöglichkeiten und Gastronomie.
Foto: Gospoda pod Czarnym Łabędziem w Rydzewie
Einer der wichtigsten Orte der polnischen Eisseglerszene ist das Uferdörfchen Rydzewo. Es liegt dort, wo der kleine Jezioro Boczne (Saitensee) auf den großen Niegocin (Lötzener oder Löwentinsee) trifft. Dreh- und Angelpunkt ist die Gospoda pod Czarnym Łabędziem, das Gasthaus zum Schwarzen Schwan. Hier gibt es außer gemütlichen rustikalen Zimmern mit Seeblick und deftig-ländlicher masurischer Küche alles, was Anfänger wie Fortgeschrittene für die bis zu 130 Stundenkilometer schnelle Segeljagd über das spiegelglatte Eis benötigen.
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Allgemeine Info-Links: Polen Travel, Pommern kulinarisch
Foto: Tourist-Info Giżycko