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Estland: Urwüchsige Natur auf Saaremaa und Hiiumaa

Auf den beiden größten estnischen Inseln Saaremaa und Hiiumaa ist die Natur noch intakt. Urwüchsige Strände und schroffe Küsten, weite Wälder und kleine Dörfer werben wieder um Besucher. Es gibt aber auch ein Kurbad mit Tradition und die schönste Burg des gesamten Baltikums.

Ein Sommertag wie eine Postkarte, mit einem blauen Himmel, der im unvergleichlichen Licht des Nordens strahlt. Ohne Knitter und Falten breitet sich die glitzernde Folie des Meeres bis zum Horizont aus. Im Schritttempo manövriert die Fähre durch das seichte Wasser der Ostsee, immer in der Hoffnung auf die nötige Handbreit Wasser und dem Kiel. 1500 Inseln soll es vor Estlands Küste geben, einige von durchaus stattlicher Größe, die meisten jedoch nur namenlose Winzlinge. Vom Eis polierte Schärenbuckel, die kaum die Nase aus dem Wasser bekommen. Unser Ziel Hiiumaa zählt zu den Großen, ist nach Saaremaa die Nummer Zwei der estnischen Inselwelt.

Hiiumaa, die Insel der Riesen, so lautet eine der Deutungen des Namens, ist zu drei Vierteln von Sand, Wäldern und Mooren bedeckt. An der Küste mischt sich das Salz des Ostseewindes mit dem Duft von Wacholder zu einem belebenden Cocktail. Mit dem Auto schafft man die Inselrunde bequem an einem Tag. Doch wer will das schon? Estnische Inseln verführen zur Langsamkeit und so bleibt man besser ein oder zwei Wochen. Selbst der Hauptort Kärdla, nicht mehr als ein großes Dorf, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Jubel, Trubel, Heiterkeit und laute Disconächte – Fehlanzeige. Die Esten stört es nicht, sie leisten sich ein kleines Häuschen irgendwo inmitten der Natur und lassen sich von der Langsamkeit des Inseldaseins verwöhnen. An den sonnigen Tagen des Jahres gehen sie an die fast menschenleeren, urwüchsigen Sandstrände, spazieren entlang der Klippen oder genießen von der Terrasse den Blick in die Ferne.

Auf den Spuren eines Riesen

In die Ferne zur Nachbarinsel Saaremaa zog es auch den Riesen Leiger. Deshalb machte er sich daran, einen Damm zu bauen. Stein auf Stein warf er ins Wasser, doch irgendwann verlor er die Lust. Mehr als zwei Kilometer ragt Leiger’s Werk, der Sääretirp, im Süden Hiiumaas ins Meer. Wer sich bis zum letzten Stein der Landzunge vorwagt, ist zwar noch lange nicht auf Saaremaa, kann aber das unbeschreibliche Gefühl genießen, mitten in der Ostsee zu stehen.

Estlands liebste Ferieninsel ist Saaremaa. Immerhin ein wenig größer als das Saarland, doch nur von 40 000 Menschen bewohnt – da bleibt genügend Platz für Wiesen, Wald und Wacholder. Fünfzig Jahre Dornröschenschlag als militärisches Sperrgebiet haben ihr die sowjetischen Besatzer verordnet. Während dieser Zeit brauchten selbst die Esten für ihre Lieblingsinsel eine Sondergenehmigung. Keine leichte Zeit für die Insulaner, aber die Natur hat profitiert. Wurde verschont von Bausünden und Industrieanlagen und konnte so ihren herben nordischen Charme kultivieren.

Früher waren hier alle Fischer oder Seeleute, heute liegt für viel die Zukunft im Tourismus. Mit Besuchern hat man schließlich Erfahrung, denn schon vor 100 Jahren war die Inselhauptstadt Kuressaare ein nobles Kurbad, in dem man sich mit Heilschlamm von allerlei Wehwehchen kurieren lassen konnte. Das geht auch heute wieder, wobei schon lange nicht mehr nur Heilschlamm auf dem Programm steht. Wellness ist mittlerweile auch in Kuressaare das Maß der Dinge. Vom herben Charme der Sowjetzeit befreit, haben die Kurhotels längst Sternekomfort und können nun wieder auf dem internationalen Markt mithalten.

Das Drumherum ist allemal konkurrenzfähig: Die Promenade direkt am Meer, einige Dutzend pittoreske alte Holzhäuser, ein runder Marktplatz mit Restaurants und Kneipen, eingerahmt von uralten Gassen mit winzigen Häusern. Und natürlich die Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert, wie aus dem Bilderbuch, mit fensterlosen, abweisenden Mauern, umgeben von Wällen und Wassergräben. Sie darf sich getrost „Schönste Burg des Baltikums“ nennen.

Eiderenten und Findlinge

Und der Rest der Insel? Ländlich verträumt, erstaunlich groß und mehr als nur einen kurzen Ausflug wert. Mehr als 800 Windmühlen gab es einst auf Saaremaa, keine 100 Jahre ist es her. Eine Handvoll ist geblieben, doch sie taugen nur noch als Fotomotiv, denn Mehl mahlen sie schon lange nicht mehr. Der Meteoritenkrater von Kaali, immerhin der größte Europas, gibt sich, versteckt zwischen Bäumen, geheimnisvoll und mystisch. Beim Einschlag des dicken Brockens vor wahrscheinlich 4000 Jahren müssen sich die Menschen gewaltig erschrocken haben. Seitdem gilt Kaali in der Mythologie als „Grab der Sonne“.

Nicht mystisch sondern einfach nur schön breitet sich die Inselwelt des Nationalparks Vilsandi vor der Westküste Saaremaas aus. Ein Paradies für Eiderenten, Gänse, Kegelrobben, Orchideen – und Naturliebhaber. Und auch hier liegen wieder unzählige Findlinge im flachen Wasser. Ein Riese hat wohl Murmeln gespielt. Nur das Aufräumen hat er vergessen. Man muss ihm dankbar für diese Unordnung sein, denn dies ist der schönste Platz, um auf den Sonnenuntergang zu warten. Und darauf hoffen, dass die Steine im spiegelglatten Wasser anfangen, rot zu leuchten.

Estland: Urwüchsige Natur auf Saaremaa und Hiiumaa

Auf den beiden größten estnischen Inseln Saaremaa und Hiiumaa ist die Natur noch intakt. Urwüchsige Strände und schroffe Küsten, weite Wälder und kleine Dörfer werben wieder um Besucher. Es gibt aber auch ein Kurbad mit Tradition und die schönste Burg des gesamten Baltikums.

Ein Sommertag wie eine Postkarte, mit einem blauen Himmel, der im unvergleichlichen Licht des Nordens strahlt. Ohne Knitter und Falten breitet sich die glitzernde Folie des Meeres bis zum Horizont aus. Im Schritttempo manövriert die Fähre durch das seichte Wasser der Ostsee, immer in der Hoffnung auf die nötige Handbreit Wasser und dem Kiel. 1500 Inseln soll es vor Estlands Küste geben, einige von durchaus stattlicher Größe, die meisten jedoch nur namenlose Winzlinge. Vom Eis polierte Schärenbuckel, die kaum die Nase aus dem Wasser bekommen. Unser Ziel Hiiumaa zählt zu den Großen, ist nach Saaremaa die Nummer Zwei der estnischen Inselwelt.

Hiiumaa, die Insel der Riesen, so lautet eine der Deutungen des Namens, ist zu drei Vierteln von Sand, Wäldern und Mooren bedeckt. An der Küste mischt sich das Salz des Ostseewindes mit dem Duft von Wacholder zu einem belebenden Cocktail. Mit dem Auto schafft man die Inselrunde bequem an einem Tag. Doch wer will das schon? Estnische Inseln verführen zur Langsamkeit und so bleibt man besser ein oder zwei Wochen. Selbst der Hauptort Kärdla, nicht mehr als ein großes Dorf, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Jubel, Trubel, Heiterkeit und laute Disconächte – Fehlanzeige. Die Esten stört es nicht, sie leisten sich ein kleines Häuschen irgendwo inmitten der Natur und lassen sich von der Langsamkeit des Inseldaseins verwöhnen. An den sonnigen Tagen des Jahres gehen sie an die fast menschenleeren, urwüchsigen Sandstrände, spazieren entlang der Klippen oder genießen von der Terrasse den Blick in die Ferne.

Auf den Spuren eines Riesen

In die Ferne zur Nachbarinsel Saaremaa zog es auch den Riesen Leiger. Deshalb machte er sich daran, einen Damm zu bauen. Stein auf Stein warf er ins Wasser, doch irgendwann verlor er die Lust. Mehr als zwei Kilometer ragt Leiger’s Werk, der Sääretirp, im Süden Hiiumaas ins Meer. Wer sich bis zum letzten Stein der Landzunge vorwagt, ist zwar noch lange nicht auf Saaremaa, kann aber das unbeschreibliche Gefühl genießen, mitten in der Ostsee zu stehen.

Estlands liebste Ferieninsel ist Saaremaa. Immerhin ein wenig größer als das Saarland, doch nur von 40 000 Menschen bewohnt – da bleibt genügend Platz für Wiesen, Wald und Wacholder. Fünfzig Jahre Dornröschenschlag als militärisches Sperrgebiet haben ihr die sowjetischen Besatzer verordnet. Während dieser Zeit brauchten selbst die Esten für ihre Lieblingsinsel eine Sondergenehmigung. Keine leichte Zeit für die Insulaner, aber die Natur hat profitiert. Wurde verschont von Bausünden und Industrieanlagen und konnte so ihren herben nordischen Charme kultivieren.

Früher waren hier alle Fischer oder Seeleute, heute liegt für viel die Zukunft im Tourismus. Mit Besuchern hat man schließlich Erfahrung, denn schon vor 100 Jahren war die Inselhauptstadt Kuressaare ein nobles Kurbad, in dem man sich mit Heilschlamm von allerlei Wehwehchen kurieren lassen konnte. Das geht auch heute wieder, wobei schon lange nicht mehr nur Heilschlamm auf dem Programm steht. Wellness ist mittlerweile auch in Kuressaare das Maß der Dinge. Vom herben Charme der Sowjetzeit befreit, haben die Kurhotels längst Sternekomfort und können nun wieder auf dem internationalen Markt mithalten.

Das Drumherum ist allemal konkurrenzfähig: Die Promenade direkt am Meer, einige Dutzend pittoreske alte Holzhäuser, ein runder Marktplatz mit Restaurants und Kneipen, eingerahmt von uralten Gassen mit winzigen Häusern. Und natürlich die Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert, wie aus dem Bilderbuch, mit fensterlosen, abweisenden Mauern, umgeben von Wällen und Wassergräben. Sie darf sich getrost „Schönste Burg des Baltikums“ nennen.

Eiderenten und Findlinge

Und der Rest der Insel? Ländlich verträumt, erstaunlich groß und mehr als nur einen kurzen Ausflug wert. Mehr als 800 Windmühlen gab es einst auf Saaremaa, keine 100 Jahre ist es her. Eine Handvoll ist geblieben, doch sie taugen nur noch als Fotomotiv, denn Mehl mahlen sie schon lange nicht mehr. Der Meteoritenkrater von Kaali, immerhin der größte Europas, gibt sich, versteckt zwischen Bäumen, geheimnisvoll und mystisch. Beim Einschlag des dicken Brockens vor wahrscheinlich 4000 Jahren müssen sich die Menschen gewaltig erschrocken haben. Seitdem gilt Kaali in der Mythologie als „Grab der Sonne“.

Nicht mystisch sondern einfach nur schön breitet sich die Inselwelt des Nationalparks Vilsandi vor der Westküste Saaremaas aus. Ein Paradies für Eiderenten, Gänse, Kegelrobben, Orchideen – und Naturliebhaber. Und auch hier liegen wieder unzählige Findlinge im flachen Wasser. Ein Riese hat wohl Murmeln gespielt. Nur das Aufräumen hat er vergessen. Man muss ihm dankbar für diese Unordnung sein, denn dies ist der schönste Platz, um auf den Sonnenuntergang zu warten. Und darauf hoffen, dass die Steine im spiegelglatten Wasser anfangen, rot zu leuchten.