Mit ihren vielen Parks und dem Ottawa River ist die kanadische Hauptstadt die perfekte Spielwiese für Outdoorfans. Museen der internationalen Spitzenklasse locken Kunstliebhaber an.
Es wird überall gejoggt und geradelt in der Stadt. Dem ersten Eindruck nach ist Ottawa nicht nur die kanadische Hauptstadt, sondern auch die Welthauptstadt des Sports. Am Mittwochvormittag strecken und recken zwei- bis dreihundert Menschen auf ihren Matten liegend auf der Wiese vor dem Parlament ihre Arme und Beine dem kanadischen Himmel entgegen, schwingen sich zur Kerze auf und gehen in den Hund. Dann ist die Zeit für öffentliches Yoga.
Gäste der Stadt breiten vor dem Parlament nur selten ihre Yogamatte aus. Sie holen sich ihre Fitness beim Aufstieg zum 92 Meter hohen Turm des Parlaments, dem Peace Tower. Er war nach dem Ersten Weltkrieg in Gedenken an die dort gefallenen 65.000 kanadischen Soldaten errichtet worden. Wer will, kann im Anschluss an die Turmbesteigung an einer kostenlosen Führung durch die Räume des Parlaments teilnehmen. Kanadische Geschichte zum Anfassen sozusagen. Besonders stolz ist man in Ottawa auf die Parlamentsbibliothek, die in den 1860er Jahren im neogotischen Stil erbaut wurde.
Sportfans haben in und um Ottawa unzählige Möglichkeiten. Die Natur hat hier ihren Kampf gegen die Zivilisation noch lange nicht aufgegeben – große Parks ziehen sich durchs Stadtzentrum und über den Ottawa River kann man bis nach Montreal und Toronto paddeln. Zu Zeiten der ersten Siedler war der Fluss die wichtigste Verkehrsader im Osten Kanadas. Heute ist der Ottawa River Spielwiese für Wassersportler aller Art. Im Winter ist Eishockey die unangefochtene Nummer Eins unter allen Sportarten. Wer nicht selbst die Kufen schnüren will, sollte zumindest ein Spiel der Ottawa Senators besuchen. Wenn die Profis gegen ihre Gegner aus der NHL spielen, ist das 18.000 Zuschauer fassende Canadian Tire Centre meist ausverkauft. Schade nur, dass die Puckjäger aus Ottawa bisher noch kein einziges Mal den Stanley Cup, die gemeinsame Meisterschaft der kanadischen und amerikanischen Eishockeyteams, gewinnen konnten.
Hauptstadt der kurzen Wege
Ottawa zählt knapp 900.000 Einwohner. Trotzdem kann man fast jede Sehenswürdigkeit fußläufig erreichen. Das Canadian Museum of History, das, wie der Name nahelegt, einen Streifzug durch die Geschichte Kanadas anbietet, ist die meistbesuchte Ausstellung des Landes. Besonders aufwendig gestaltet ist die Abteilung, die sich mit dem Leben der Ureinwohner beschäftigt. Beliebtes Fotomotiv sind die riesigen Totempfähle, die, wie der Guide bei seiner Führung durch das Museum betont, nie „zum Martern“ verwendet, sondern zu Ehren eines bedeutenden Häuptlings oder Kriegers errichtet wurden. Ein bisschen waren sie auch zum Angeben da – denn einen Totempfahl weihte man mit einem riesigen, mehrtägigen Fest ein, zu dem man alle Stämme der Gegend einlud. Wer den schönsten Pfahl hatte und das aufwändigste fest feiern ließ, genoss ein besonderes Ansehen.
Noch mehr über das Leben der kanadischen Indianer erfährt man im Freilichtmuseum „Aboriginal Experiences“ am Rande der Innenstadt. Stephanie Sarazin vom Stamm der Pikwakanagan führt in einem purpurnen Stammeskleid und mit reich geschmückter traditioneller Perlenkette durch das Freilichtmuseum. In launigen Worten und immer lachend erzählt die junge Frau von der Geschichte der Indianer. Wenn sie von der Situation der Ureinwohner im heutigen Kanada erzählt, scheint sich ihre Stimme plötzlich vor Aufregung zu überschlagen. Dann sagt sie auch Sätze wie: „Ja, wir werden hier immer noch benachteiligt, aber damit muss ich lernen zu leben.“ Sie atmet tief durch und erzählt, wie die Regierung die Indianer denselben Jagdbeschränkungen unterwirft wie Hobbyjäger und somit vielen Stämmen die Lebensgrundlage entzieht.
Fast symbolisch ist es da, dass man vom Museum der Ureinwohner den besten Blick der Stadt auf das Parlament hat.
Ein Schloss am Rande des Zentrums
In der National Gallery werden die Werke der Großen der kanadischen Kunst ausgestellt – Namen wie Tom Thomson, Emily Carr und Alex Colville sind in Europa vermutlich nur wenigen Kunstkennern bekannt. Aber wer nach hierzulande berühmten Namen wie van Gogh, Cézanne oder Picasso sucht, wird ebenfalls fündig. Um die Sammlung mit europäischer Kunst dürfte so manches Museum auf dem alten Kontinent die Kanadier beneiden.
Allein schon das Museumsgebäude ist ein Hingucker. Erbaut von dem kanadisch-israelischen Architekten Moshe Safdie, der sich vor allem durch die Sanierung der Altstadt von Jerusalem international einen Namen gemacht hat, besticht das aus Glas und Granit erbaute Bauwerk durch seine klaren Linien.
Unmittelbar ans Zentrum schließt sich Byward Market an. Kleine Läden, Cafés und Restaurants prägen das Bild dieses Stadtteiles, der besonders bei Touristen beliebt ist. Wer Spitzenküche sucht und sein Steak mit einem hervorragenden kanadischen Rotwein hinunterspülen will, schaut im Play in der York Street vorbei. Die freundliche und kompetente Bedienung gehört in dem Restaurant zwar zum Konzept, doch liegt „Dauer-gute-Laune“ Kanadiern ohnehin im Blut. Muffigen Service gibt es nirgends.
Wie breit in Byward Market das Spektrum des gastronomischen Angebots ist, zeigt sich nur eine paar Schritte weiter die Straße hinunter. In „The Dominion Tavern“ legt man auf feine Tischsitten nur wenig Wert, Bier ist das meist bestellte Getränk und statt „Elchsteak medium rare“ isst man hier fettige Hamburger.
Sogar ein Schloss haben die Kanadier zu bieten. Allerdings war das Chateau Laurier niemals eine echte Adelsbehausung gewesen, sondern von Anfang an ein Nobelhotel – eröffnet 1912. Auch im Chateau hat man zum Thema Kunst einiges zu bieten; eine Dauerausstellung mit Fotos des weltberühmten Portraitfotografen Yousuf Karsh, der 18 Jahre lang in dem Hotel gewohnt hatte.